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Specialized Enduro 650b und 29″ 2015: Renn-Fahrbericht

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In einer Woche in Oregon hatte ich bereits ausgiebig Gelegenheit, beide neuen Bikes – Enduro 650b und Enduro 29“ – zu fahren, beide in Größe M bei 177 cm Größe.  Im Vorfeld war ich auch das aktuelle 26“-Enduro schon gefahren. Ich konnte 5 Tage lang die gleichen Strecken mit beiden Bikes fahren, um mich dann vor dem Rennen Rennen für eines der beiden zu entscheiden. Das Testgelände reichte von flach bis steil, von flowig bis steinig, beinhaltete Anlieger und Sprünge. Am Hood River findet ganz sicher jeder seine Lieblings-Passagen, ein so variantenreiches Testgelände habe ich selten mitsamt Shuttle zur Verfügung gehabt.

Ich bin ganz ehrlich:
# Ich bin ganz ehrlich: - Trails und Licht haben die Bikes in ein gutes Licht gerückt

Uphill

Wie sitzt es sich auf den neuen Bikes? Die Sitzposition passt schon mal, auf beiden Rädern, Twentyniner und „Tweener“ – kein Wunder, der Reach ist in Größe M bei beiden Bikes quasi identisch und beträgt 421 beziehungsweise 425 mm.  Beim Stack lässt sich zwar der Twentyniner nicht verleugnen (Die Front baut durch die größeren Räder 35 mm höher), Der Fahrer merkt davon aber so gut wie nichts: Die unterschiedliche Bauhöhe wird nämlich durch einen Flatbar gegenüber dem Riserbar und zusätzlich durch Spacer kompensiert.

Staub und weite Kurven
# Staub und weite Kurven - prädestinierten die 29"-Version für viele Stellen auf der Rennstrecke.
Kurzer Test:
# Kurzer Test: - Für Fotos fahre ich hier das Enduro 650b in Größe S. Kurzer Eindruck: Brutal spaßig, für echte Touren und Uphills bei 177 cm aber natürlich zu klein

Im Anstieg  fährt sich – im direkten Vergleich – der Twentyniner souveräner. Das Vorderrad steigt später, der Grip am Hinterrad ist höher, der Rollwiderstand geringer. Nicht, dass sich das 650b-Enduro nicht gut bergauf pedalieren ließe, doch die 29“-Version fährt mit solch gelassener Sicherheit bergauf, dass tatsächlich der kleinste Gang die einzige Limitierung bergauf darstellt.

Das 29“-Bike wird mit einem hauseigenen 30 Zähne Kettenblatt, das 650b-Bike mit 34er Blatt ausgestattet. Damit wird die Richtung klar vorgegeben: Am Enduro geht es tendenziell bergab, wer lange steil bergauf fahren will, braucht mit den Kettenblättern schon stramme Waden.

Flaches Gelände

Flache Trails sind so ein bisschen das Killer-Territorium für Bikes mit langem Hauptrahmen und kurzen Kettenstreben, denn hier braucht es bereits Druck auf dem Vorderrad, die Schwerkraft verschafft diesen aber noch nicht automatisch. Im Rennen ging es vom Start weg meist flach im Sprint los. Hilfreich dabei: Der Hinterbau wird durch den Kettenzug an der kurzen Leine gehalten, schaukeln kann hier gar nichts. Immer wieder der Druck auf den Hebel der Sattelstütze, und ich muss festhalten: Einen besseren Knopf habe ich noch nicht gedrückt, auch wenn die Hydraulik der Reverb natürlich noch sanfter arbeitet. Die Ergonomie des SLR toppt aber alles, was ich bisher probiert habe.

Egal ob mit Sattel unten oder oben, zu brenzligen Situationen mangels Grip am Vorderrad kam es nicht. Das liegt daran, dass Specialized es weder mit der Länge des Reach noch mit der Kürze des Vorbau übertreibt, und das liegt auch daran, dass der Vorderreifen mit mehr Grip gesegnet ist als sein hinterer Mitspieler.

Klare Entscheidung
# Klare Entscheidung - Solche Einlagen machen mit dem Enduro 650b mehr Spaß als mit dem Twentyniner.

Downhill

Jetzt aber Schluss mit notwendigen Übel wie Uphill und Transfer, Zeit für eine selbstverdiente Abfahrt. Dank der beschriebenen, vernünftigen Kletter-Eignung und des geringen Gewichts von 11,9 / 12,1 kg beim S-Works Modell bleibt dafür noch ausreichend Energie übrig.

Heftige Antritte quittiert das 650b-Bike mit einem Power-Wheelie – mit seinem großen Bruder muss man sich für den schon mehr ins Zeug legen und aktiv nach hinten drücken. Auf drei Stages gab es schwerere Abfahrts-Stücke, die restlichen 3 waren ehrlich gesagt eher einfach zu fahren – mit entsprechend Geschwindigkeit aber dennoch anspruchsvoll. Die letzteren würde ich mal ganz dreist als Twentyniner-Gelände klassifizieren: Schnell, mit großen Kurven, losem Boden und wenigen, aber dicken Steinen garniert. Da hilft Laufruhe, da hilft Überrollverhalten, da hilft Grip. Stellenweise war man hier mit über 50 km/h unterwegs, auf zwar relativ breiten, aber mit grobem Untergrund versehenen Strecken. Die Kindskopf-großen Steine waren der Grund, warum ich durchaus froh war, mit ordentlich Federweg ausgestattet zu sein – egal, wie groß die Räder jetzt waren. Auf diesen Etappen fiel mir die Entscheidung zwischen den beiden Bikes aber leicht: Das Rad mit den “Wagon Wheels”, wie die Amis 29” gerne nennen, fuhr sich schlichtweg sicherer, weil ruhiger.

Gabel und Hinterbau
# Gabel und Hinterbau - harmonieren ideal.

Auf den anderen drei Stages, die durch ihren Untergrund und ihre Steigung einen anderen Charakter an den Tag legten als die bisher beschriebenen, ergibt sich ein anderes Bild: Stage 4 war im Wesentlichen ein abwärts gerichteter, nicht endender Pumptrack. Wer schon mal versucht hat, 5 Minuten konstant auf einem Pumptrack zu fahren, der weiß, wie anstrengend die Stage war. Steilkurven, Wellen, Tables und ein paar wenige Doubles wollten schier nicht enden.

Stage 5
# Stage 5 - kurz vor dem Ziel galt es nochmals perfekt glatte Steilkurven zu durchfahren - hier erforderten die großen Räder mehr Nachdruck, boten aber auf dem Staub am Kurvenausgang auch mehr Grip

Während hier zunächst einmal natürlich jeglicher Federweg eigentlich zu viel ist, kann an der Gabel durch die 3-stufige Druckstufe zumindest etwas Nachdruck arrangiert werden. Am Heck wirkt sich der Climb Switch kaum positiv aus: er unterdrückt Wippen, aber nicht Einsacken bei schnelleren Stößen. Das Duell der Laufradgrößen entscheidet hier das 27,5”-Modell. Das Bike ist agiler, leichter zu drehen, mehr Spielzeug als D-Zug.

Sieht mal wieder
# Sieht mal wieder - flacher aus, als es ist.
Kurz nach dieser Sniper Stelle
# Kurz nach dieser Sniper Stelle - wurde es richtig steil. Der Twentyniner braucht weniger Kontrolle, der Tweener gibt mehr davon.

Kommen wir aber zu den Teilstücken, die mehr mit einer Downhill-Strecke gemeinsam haben: Steil, stufig, steinig, teilweise auch ausgesetzt. Als ich das erste Mal hier auf losem Sand über einen schmaler werdenden Rücken zwischen Bäumen durchrutschte, schob mir gerade Brian Lopes entgegen; wir reden hier also von einem Abschnitt, den der ehrgeizige Kalifornier bereits 5 Tage vor dem Rennen trainierte, weil hier viel Zeit gut gemacht oder verloren werden konnte. Nach wirklich vielen Trainingsfahrten auf beiden Bikes lautet mein Fazit in technisch anspruchsvollem Gelände bergab: Auf dem 650b fühlte ich die volle Kontrolle – und musste auch viel kontrollieren.

Auf dem Twentyniner fiel es mir stellenweise schwer, meinen Schwerpunkt weit zu verlagern und stark zu kontrollieren – doch ich musste auch viel weniger kontrollieren. Tatsächlich fährt das Enduro 29 auch in schwierigem Gelände noch stärker von selbst. Dank der größeren Innenlagerabsenkung neigt das Heck nicht zum Steigen, das große Vorderrad kann kaum in ein Loch fallen, die Traktion ist super. Konsequenz: Klares Unentschieden. Wer gern aktiv bergab fährt, sich von jeder Stufe abdrücken will, dem empfehle ich das Enduro 650b. Wer schnellstmöglich bergab will und nicht viel rumspielen will, der sollte zum Enduro 29” greifen.

In holprigen Passagen
# In holprigen Passagen - konnte das Fahrwerk mal ordentlich durchgecheckt werden. Die Inline-Version des Cane Creek Dämpfer steht der Version mit Ausgleichsbehälter - zumindest auf Abfahrten mit überschaubarer Länge - in nichts nach.

Fazit

Das Enduro 2015 ist, egal mit welchem Rad-Durchmesser, ein gelungener Alleskönner auf sehr hohem Niveau. Die spielerische Ader des 650b ist – auch wenn das 29”-Rad kein Langweiler ist – allerdings stärker ausgeprägt. Wenn Power-Wheelies, Manuals und Drifts dein Ding sind, dann greif zu den kleineren Laufrädern. Wenn es um Traktion, Sicherheit und Geschwindigkeit geht, dann dürfen es gern 29” sein. Die Geometrie beider Bikes funktioniert, das Fahrwerk harmoniert sahnig. An der Ausstattung gibt es fast nichts zu bemängeln – was bei deftigen 7999 € aber auch eine echte Enttäuschung wäre. “Fast nichts” bedeutet: Ein 34er Kettenblatt beispielsweise empfinde ich auf 650b dann als doch zu mutig.

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Redaktion: Stefanus Stahl
Fotos: Ryan Cleek und Dan Barham / Specialized

Der Beitrag Specialized Enduro 650b und 29″ 2015: Renn-Fahrbericht ist auf MTB-News.de erschienen.


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