Quantcast
Channel: MTB-News.de » Magazin
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3931

Hausbesuch – Magura Asia: Schwäbischer Eifer in Taichung

$
0
0
cover

Magura, das steht für die Familie von Gustav und Marta, für hydraulische Bremsen aus Bad Urach am Fuß der Schwäbischen Alb – oder? Nun: Gustav, Marta und Luise sind nicht mehr, und sämtliche Federgabeln sowie die günstigen Scheibenbremsen kommen inzwischen aus Taiwan. Die gute Nachricht: auch dort wird mit schwäbischem Eifer und modernster Technik gearbeitet – der vielleicht beeindruckendste Besuch in unserer Reihe von taiwanesischen Fabriken.

Magura in Taiwan

Warum müssen jetzt auch die Schwaben von Magura ihre Bremsen und Federgabeln in Taiwan machen? – so direkt darf und kann man fragen, wieso sich Magura aus Bad Urach seit 2002 einen Standort in Taichung gönnt. Die Antwort ist ähnlich zu der, die auch andere amerikanische oder europäische Unternehmen geben: Die Bike-Industrie ist hier extrem stark vertreten. Wer die Wege verkürzen und seinen Kunden so besseren Service und kürzere Lieferzeiten anbieten will, der kommt um einen asiatischen Firmenstandort kaum herum. Wer das mit der extremen Konzentration von Firmen in Taiwan sowie der dort stabilen politischen Situation kombiniert, der landet schnell in Taichung.

Tatsächlich ist Magura hier in nächster Nähe zu zahlreichen bekannten Bike-Firmen positioniert. In direkter Umgebung finden sich Firmen wie Felt, Stromer, Cannondale, GT, Rocky Mountain, Wheeler und Norco, um nur einige zu nennen. So begann man bei Magura 2002 mit 5 Mitarbeitern in Taiwan zunächst als reines Verkaufsbüro. Das Büro war fortan zuständig für die Betreuung der Märkte Asien und Ozeanien sowie natürlich für den Kontakt zu den großen OEM-Kunden.

Als man 2011 die Produktion von Federgabeln eröffnete, zählte der Standort bereits 28 Angestellte. Damit wurden erstmals Magura-Produkte in Taiwan produziert, kontrolliert und an Kunden ausgeliefert. Nicht wenige Produkte gehen seitdem direkt in die Nachbarschaft, wo sie in Komplettbikes montiert und erst dann in alle Welt verschifft werden. Ein Jahr später begann die Produktion der günstigen MT Bremsen, 10 neue Mitarbeiter unterstützen hierzu das Team. 2013 ist das Team erneut gewachsen, mittlerweile arbeiten 52 Angestellte am Standort. Um die Qualität zu sichern und Verantwortungsbereiche zu klären, lässt sich der Betrieb nach ISO 9001 zertifizieren.

Das Wachstum geht weiter: Ende 2014 arbeiteten 70 Personen für Magura Asia. Die Hallen werden ausgebaut, es braucht mehr Lagerflächen, mehr Raum für die Qualitätskontrollen, ein weiterer Ausbau der Produktion steht an. So finden sich nun drei Produktionslinien in den Räumlichkeiten: Eine für Federgabeln, zwei für Bremsen. Damit werden nun alle Magura Federgabeln und die günstigen Scheibenbremsen in Taiwan hergestellt. Allein die High-End-Modelle MT8 und MT7 werden weiterhin nur in Deutschland hergestellt. Forschung und Entwicklung sind weiterhin ausschließlich in der Schwäbischen Alb angesiedelt. Nun aber rein in die äußerst interessante Produktion, die nach dem Toyota Produktionssystem organisiert ist.

Foto-Story

# Willkommen in einer globalisierten Welt - willkommen bei Magura Asia. Der Standort in Taichung befindet sich in unmittelbarer Nähe zu diversen großen Mountainbike-Herstellern.
# Magura Asia ist mehr als nur ein kundennaher Produktionsstandort - von hier aus werden auch Endverbraucher aus dem ozeanischen und asiatischen Raum bedient sowie Händlerschulungen für diese Gebiete organisiert.
# Im Service Center wird klar, dass auch Marketing für diesen Teil der Welt zum Geschäft gehört - man unterhält ein eigenes Rennteam, das sich auch Langstrecken-Rennen spezialisiert hat.
# Nun aber zur Produktion, genauer gesagt in den Wareneingang - von Zulieferern kommen alle Teile, die man zur Produktion von Bremsen und Federgabeln benötigt.
# Eingeschränkter Zutritt - zu den präzisen Maschinen in der Qualitätskontrolle haben nur wenige Mitarbeiter Zutritt.
# Neben geometrischen Toleranzen wird auch beispielsweise die Masse der Teile überprüft - hier werden gerade Schrauben verwogen und in die blauen Kisten sortiert, die durch die gesamte Produktion fahren.
# Zum Zeitpunkt unseres Besuchs war die Qualitätskontrolle gerade umgezogen - deshalb ist dieser Raum noch nicht in Betrieb. In jedem Fall geht es hier darum festzustellen, ob die Qualität der angelieferten Einzelteile stimmt, damit bei der Montage nichts schief geht.
# In der gesamten Produktion ist der Materialfluss optimiert - so wird beispielsweise in diesem Raum Nachschub von innen (zwischen den Regalen) nachgefüllt. Die blauen Kisten stehen dann auf Rollen und rutschen automatisch nach außen nach, wenn von dort Material in die Produktion übernommen wird. Am Produktionsstandort ist das Kanban-Prinzip (auch "Pull"-Prinzip") umgesetzt, das die Vorhaltung von Materialien an den jeweiligen Stellen in der Montage reduziert.
# Schmutz muss draußen bleiben - in der Produktion muss es sauber zugehen. Eine Schiebetür trennt die Montage vom Lager. Ab hier dürfen beispielsweise keine potentiell staubenden Materialien wie Kartonagen mehr verwendet werden, um Teile zu transportieren. Über einen Scanner wird die vom Lager in die Produktion entnommene Menge Teile festgestellt, damit diese nachgefüllt wird.
# Wer den blauen Kisten folgt, folgt dem Materialfluss - Erneut wird über Materialrutschen von außen der Nachschub an Einzelteilen gewährleistet. Die benötigten Teile werden von innen entnommen - dadurch stehen sich Mitarbeiter, die Material bewegen, und solche, die montieren, nie im Weg. Leere blaue Kisten wandern über die nächste Ebene nach außen und werden dort abgeholt.
# Eine Tampondruckmaschine - der Tampon aus elastischem Silikon nimmt den Farbfilm auf, um ihn anschließend auf dem Bauteil zu platzieren. So werden beispielsweise Logos und Schriftzüge auf den Bremsgriffen aufgebracht, bevor diese dann befüllt und montiert werden.
# Die abgefahrenste Maschine der gesamten Fabrik - Von der wir leider nur einen Abschnitt zeigen dürfen. In einem großen Rondell finden sich über zehn Stationen, durch die jeder Bremssattel Schritt für Schritt transportiert wird. An den jeweiligen Stationen werden von oben und unten die Dichtungen und die Bremskolben eingesetzt. Zwischen den Bearbeitungsschritten kontrollieren Kameras die Position der Kolben und vergleichen sie mit der optimalen Position. Sitzt etwas nicht korrekt, wird das Teil aussortiert und nachbearbeitet. Das bedeutet: Allein in dieser Maschine wird ungefähr 6 Mal kontrolliert, ob alles passt - und zwar alles vollautomatisch.
# Neben den beeindruckend automatisierten Maschinen wandert jede Bremse aber auch noch durch viele Hände - dabei verfolgt man an den meisten Maschinen eher eine japanische als eine deutsche Sicherheitsphilosophie: Statt durch Schutzscheiben einen Zugriff des Werkers zu verhindern, kontrollieren Lichtschranken, ob gerade ein Werker in die Maschine greift. Falls ja, wird die Maschine gestoppt, das Bauteil aussortiert.
# Ob die Mitarbeiter diesen Hinweis wohl verstehen? - Tatsächlich wurde die Produktion in Deutschland aufgebaut und dann nach Taiwan transportiert. Aber auch dort arbeiten noch einige Deutsche, die wissen, worauf hier verwiesen wird. Auch diese Maschine sollte wieder nicht im Detail fotographiert werden: In diesem Behälter liegen Schrauben, die durch ein Rüttelsystem nachgeführt und ausgerichtet werden. Am Ausgang des Behälters werden sie schließlich durch Unterdruck angesaugt und automatisch in den Bit des Schraubers geschossen - Technik vom Feinsten!
# Noch so eine äußerst clevere Station - Mit diesem Schrauber werden an zwei Positionen Schrauben angezogen. Der Schrauber detektiert durch Sensoren, wo er ist, und stellt automatisch das jeweils richtige Drehmoment für die Schraube ein. Eine Fehlbedienung ist dadurch ausgeschlossen.
# Auch der Zuschnitt der Bremsleitungen erfolgt automatisiert - So können OEM-Kunden individuelle Leitungslängen erhalten. Für Vorder- und Hinterrad, aber auch für verschiedene Rahmengrößen und Bike-Modelle.
# Braucht noch jemand Bremsleitung? - Magura hat da "etwas" auf Lager. Die Produktion muss am Ende einer Spule quasi nicht unterbrochen werden, da eine zweite Spule bereits vorgehalten werden kann. Im nächsten Schritt folgt die Befüllung, die Magura leider erneut nicht fotografiert haben wollte.
# Letzter Schritt - fertig befüllte und getestete Magura MT-Bremsen werden entfettet, gereinigt, kontrolliert und in Kartons verpackt. Die Produktionsphilosophie erlaubt jetzt die Nutzung von Kartons, da die Ware hier bereits fertig gestellt ist und von nun an ausschließlich aus der Produktion führt, ein Einbringen von Verunreinigungen in die Produktion soll so ausgeschlossen sein.
# Gehen wir weiter zur Federgabelproduktion - auch hier wird nach dem im Toyota Produktionssystem verankerten Just in Time Prinzip gearbeitet: Es wird nichts produziert, was nicht auch von einem Kunden bestellt worden ist. Das verringert Lagerhaltungskosten, erfordert aber eine höhere Flexibilität. Der erste Schritt in der Federgabelproodutkion ist das Verpressen von Gabelkrone, Schaft und Standrohren. Erneut kann die Maschine nur gestartet werden, wenn die Lichtschranke das Okay gibt.
# Für die Montage der Gabeln gilt ähnliches wie für die Montage der Bremsen - der Materialfluss ist sehr elegant gelöst, Mensch und Maschine arbeiten eng zusammen. Drehmomente, Füllmengen, Einstecktiefen - all das wird kontrolliert und überwacht. Die Verstellbarkeit der Dämpfung und die Dichtheit des Systems werden für jede einzelne Gabel überprüft.
# Der letzte Schritt ist Handarbeit und erfordert ein gutes Auge des Mitarbeiters - Die Aufkleber werden manuell angebracht, bevor die Gabeln in Kartons wandern und Richtung Warenausgang transportiert werden.
# Der Besuch hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen - von den von uns besuchten Fabriken waren die Abläufe, die Kontrollen der Produktionsschritte und die absolut genialen Produktionsmittel hier bei Magura Asia definitiv die fortschrittlichsten.

Weitere Informationen

Text & Redaktion: Stefanus Stahl | MTB-News.de 2015
Bilder: Stefanus Stahl

Mehr Hausbesuche / More behind the scenes reports from these companies:

Acros | Alutech | Bell Helmets | Bike Ahead Composites | BIKE-Magazin | Bike-Mailorder.de | Bionicon Cycles | Canyon [Teil 1] | Canyon [Teil 2] | Chromag Bikes | Continental | Cube | DT-Swiss | DT Swiss Asia | Empire Cycles Ltd. | FORMULA | Fox Racing Shox | Ghost Bikes | Hayes / ManitouHope | | HSC Zerspanungstechnik | Ibis Bicycles | igus | Intense Cycles | Kona | Lapierre | Leafcycles | Lezyne | MDE-Bikes | Morpheus Bikes | Nicolai | Norco | Orange | PinkbikePivot Cycles | Rocky Mountain Bicycles | Rohloff | ROSE | Rotwild | Specialized: Teil 1 | Specialized: Teil 2 | Specialized: Teil 3 | SRAM (Schweinfurt) | SRAM Fertigung in Taichung | STRAVA | Syntace / Liteville | Taiwan: Eloxal und Laser verleihen Aluminium eine Identität | Taiwan: Zu Gast auf der Bike-Messe der etwas anderen Art | Taiwan: Mit 300 km/h in Richtung Laufrad-Zentrifugen | Team Trucks | Truvativ | UCI | Votec | VP Components

Interessant? Hier findest du weitere Hausbesuche und Blicke hinter die Kulissen bei zahlreichen Unternehmen der Bikebranche.

Der Beitrag Hausbesuch – Magura Asia: Schwäbischer Eifer in Taichung ist auf MTB-News.de erschienen.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 3931


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>