
Im neuen Nicolai ION GPI verbindet die Firma Nicolai – bekannt nicht nur für Rahmenbau sondern auch als Innovator im Antriebsbereich – bislang unvereinte Technologien. Auf Basis eines Nicolai ION 16 Pinion ist ein Rahmen entwickelt worden, der es erlaubt, das Pinion Getriebe mit Gates Carbon Drive zu kombinieren. Möglich wird das durch einen neuartigen Kettenspanner, der die sich beim Einfedern ändernde Kettenstrebenlänge ausgleicht. Als wäre das nicht genug spendiert Nicolai dem ION GPI eine neue, extra lange Geometrie. Wir haben alle Informationen zum neuen Top-Enduro aus Lübbrechtsen.
Nicolai ION GPI 2016
Kurz und Knapp
Antriebskonzept und Geometrie des Nicolai ION GPI sind außergewöhnlich.
Das neue Nicolai ION GPI ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Bike. Es bietet 155 mm Federweg, ein im Rahmen integriertes Pinion P1.12 Getriebe und einen Gates Carbon Drive Antrieb. Hinzu kommt eine Geometrie, die von dem Bike abgeleitet ist, das Vincent Stoyhe im letzten Jahr auf der Eurobike als “der Zorn” bezeichnet hat: Reach-Werte ab 485 mm bis hin zu beachtlichen 520 mm sowie ein Lenkwinkel von minimal 63,5° sollen das Bike zu einem außergewöhnlich leistungsfähigen Enduro machen.



Wir haben uns das Rad exklusiv vor Eröffnung des Rock The Hill-Festivals im Bike-Park Bischofsmais angeschaut und für zwei Tage auf den Trails gebucht. In diesem Artikel präsentieren wir alle relevanten Informationen zum neuen Nicolai ION GPI und geben eine erste Einschätzung dazu, was wir hier vor uns haben.
Das Konzept
Was passiert, wenn man ein Pinion Getriebe, einen Gates Carbon Drive und ein Fully kombiniert? Diese Frage haben sich schon viele Entwickler gestellt und am Ende des Tages ist immer wieder klar geworden, dass in dieser Kombination Kompromisse gemacht werden müssen. Das Pinion Getriebe beeinflusst die Hinterbaukinematik und da die Kettenstrebenlänge sich beim Einfedern ändert, kommt der Gates Carbon Drive an seine Grenzen. Während Lösungen für beide Probleme wie etwa ein Sekundärantrieb mit Abtrieb über den Schwingendrehpunkt möglich sind, bleiben sie doch für ein Enduro und einen Viergelenkhinterbau suboptimal.

Nun hat man in Niedersachsen das bekannte ION 16 Pinion genommen und präsentiert im neuen Nicolai ION GPI die Lösung für die oben genannten Probleme: das neu vorgestellte Bike kommt mit 155 mm Federweg am bekannten Viergelenk-Hinterbau, als Getriebe sitze ein Pinion P1.12 mit 12 Gängen im Hauptrahmen und die Kraftübertragung wird über einen Gates Carbon Drive hergestellt. Kompromisse? Auf den ersten Blick keine.
Antriebsystem
Die auf den ersten Blick größte Besonderheit der Antrieb des Nicolai ION GPI. Der wichtigste Schritt auf dem Weg zur Lösung des oben beschriebenen Problems sei es gewesen, den Gates Carbon Drive im Labor auf die Probe zu stellen, berichtet Entwickler Marcel Lauxtermann. Kann man ihn wirklich nicht entgegen seiner Krümmung biegen? Das Ergebnis: man kann. Auf diese Weise ist der neue Riemenspanner entstanden, der direkt am Getriebegehäuse angeflanscht ist und von einer unter dem Getriebe liegenden Feder in Position gehalten wird.
Das ION GPI kombiniert ein Pinion Getriebe mit Gates Carbon Drive und konventionellem Hinterbau – wegweisend!
Zum Schutz des Riemens findet sich ebenfalls am Getriebegehäuse befestigt ein robuster Unterfahrschutz, der die Carbon-Fasern und die Feder des Riemenspanners vor Beschädigungen durch Aufsetzer schützen soll. Um den Antrieb weiter zu sichern findet sich an der Riemenscheibe am Hinterrad eine zusätzliche Riemenführung, die ein Überspringen des Zahnriemens verhindert. So gerüstet wird einerseits das Problem umgangen, dass sich die Hinterbaulänge beim Einfedern ändert und das der Riemen immer auf der richtigen Spannung gehalten wird.

In Kombination mit dem Pinion P1.12 Getriebe mit 12 Gängen liefert Nicolai so einen Antrieb, der in der Theorie quasi wartungsfrei funktioniert und weitestgehend geräuschlos arbeiten sollte. Der Zahnriemen arbeitet trocken ohne Schmierstoffe und ist nicht elastisch, so dass auch über lange Fahrzeiten keine Längung auftreten soll. Das Pinion Getriebe wiederum ist ein in sich geschlossenes System, das über einen Drehgriff betätigt wird und ebenfalls eine lange Laufleistung ohne Wartungen oder Reparaturen verspricht.

Mit diesem Antrieb unterscheidet sich das Nicolai ION GPI deutlich von bekannten Ansätzen – im Enduro-Segment ist ein wartungsfreier Gates Carbon Drive bislang stets nur bei Hardtails zum Einsatz gekommen. Trotz des Getriebes wird am Hinterbau ein konventionelles 12 x 142 mm Hinterrad gefahren, bei dem die Riemenscheibe auf dem konventionellen Freilaufkörper mittels Distanzscheiben passend ausgerichtet wird.

Welchen Einfluss hat dieser Antrieb auf das Fahrverhalten? Team-Fahrer Frank Schneider ist sich sicher, dass die eingesparte ungefederte Masse am Hinterrad trotz des insgesamt höheren Gewichts des Systems positiv spürbar wird. So soll das Hinterrad eine bessere Traktion bieten und agiler dem Untergrund folgen. Gleichzeitig werde das Handling durch die zentrale Gewichtsverteilung positiv beeinflusst. Maßgeblichen Einfluss auf das Handling hat jedoch auch die Geometrie und die ist bei diesem Rad alles andere als gewöhnlich.
Geometrie
Auf der letzten Eurobike präsentierte uns Vincent Stoyhe ein Bike, das Nicolai für Mojo in England gebaut hatte und das auf den Namen “Der Zorn” hörte. Die Eckdaten: ein Radstand von über 1,3 m und eine Optik wie ein Lattenzaun.

Long, Longer, Longest – so heißen die Rahmengrößen beim Nicolai ION GPI.
Basierend auf dem Feedback von Mojo hat man sich diesem an sich als Einzelstück geplanten Prototypen im vergangenen Jahr angenähert und sie behutsam weiter entwickelt – nun wird sie auf den Endverbraucher losgelassen. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Bikes nicht in die drei Größen S, M oder L eingeteilt werden, sondern long, longer und longest heißen. Der Name ist Programm, denn beim Radstand geht es bei downhill-typischen 1264 mm los und für die longest-Ausführung werden beachtliche 1309 mm angegeben. Erreicht werden diese Werte einerseits durch einen sehr flachen Lenkwinkel von 63,5° (flache Geometrieeinstellung) und lange Reach-Werte, die bei 485 mm beginnen und bis zu 520 mm reichen. In Verbindung mit dem steilen Sitzwinkel von maximal 77,7° (steile Geometrieeinstellung) ergeben sich so die außergewöhnlich langen Radstände. Für ein dennoch gutes Handling sollen die Kettenstreben mit einer Länge von 439 mm sorgen, so Entwickler Marcel.
Geometrie Nicolai ION GPI
Rahmengröße | Long | Longer | Longest |
---|---|---|---|
Lenkwinkel | 63,5 - 64,2° | 63,5 - 64,2° | 63,5 - 64,2° |
Sitzwinkel | 77 - 77,7° | 77 - 77,7° | 77 - 77,7° |
Oberrohrlänge | 620 mm | 640 mm | 661 mm |
Sitzrohrlänge | 420 mm | 470 mm | 490 mm |
Steuerrohrlänge | 110 mm | 120 mm | 130 mm |
Kettenstrebenlänge | 439 mm | 439 mm | 439 mm |
Radstand | 1264 mm | 1284 mm | 1309 mm |
Sitzrohrüberstand | 70 mm | 70 mm | 70 mm |
Reach | 485 mm | 502 mm | 520 mm |
Stack | 596 mm | 605 mm | 615 mm |
Mit dieser Geometrie gerüstet soll das Nicolai ION GPI die vom Antrieb gebotenen Vorteile bestmöglich umsetzen können und verspricht insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten hohe Spurstabilität. Geht dieses Konzept auf? Die technische Lösung ist ansprechend und auf den ersten Blick erscheint nur das Gewicht von 16,4 kg für die hier gezeigte Ausstattung ein Haken zu sein. Ob er das wirklich ist und wie sich das Nicolai ION GPI im ersten Test schlägt erfahrt ihr morgen hier auf MTB-News.de. Bis dahin sammeln wir weiter Erfahrungen mit diesem etwas anderen Enduro.
Schnittstellenmaße Nicolai ION GPI
Laufradgröße | 27,5" |
---|---|
Steuerrohr | ZS44/56 |
Gabel Referenzmaß | 559 mm |
empfohlener Gabelfederweg | 160 - 180 mm |
Federweg Hinterbau | 155 mm |
Dämpfereinbaulänge | 215 x 64 mm |
Dämpferaufnahme | 22 x 8 mm |
Bremsaufnahme | PM180 |
Bremsscheibengröße (max.) | 203 mm |
Hinterrad | 12 x 142 mm Steckachse |
Tretlagerhöhe zur Achse | -17 / -9 mm |
Sattelstützendurchmesser | 31,6 mm |
Reifenfreiheit (max.) | 71,5 mm |
Kettenführungsaufnahme | ISCG 05 |
Meinung @MTB-News.de
Mit dem neuen ION GPI stellt Nicolai ein spannendes Enduro-Konzept vor, das sich in vielerlei Hinsicht von bekannten Bikes unterscheidet und in der Kombination vorhandener aber bislang unvereinbarer Technologien richtungsweisend ist. Die bewährte Nicolai ION 16 Plattform wird in Kombination mit Pinion Getriebe und Gates Carbon Drive zu einem Bike, das nahezu wartungsfrei sehr robust sein sollte. Bleiben eigentlich nur zwei Punkte: beim Gewicht gibt es mit 16,4 kg in der gezeigten Ausstattung ein Defizit zu vermelden. Und der Preis ist bislang noch nicht bekannt. Hier werden wir uns also noch bis zur Eurobike gedulden müssen. Davor gibt es aber morgen unseren exklusiven, ersten Fahrbericht nach einem Wochenende im Bike-Park Bischofsmais.
Weitere Informationen
Website: www.nicolai.net
Text & Redaktion:Tobias Stahl | MTB-News.de 2015
Bilder: Stefanus Stahl
Video: Tobias Stahl
Der Beitrag Exklusiv: Nicolai ION GPI – Getriebe, Zahnriemen, Zorn-Geometrie ist auf MTB-News.de erschienen.