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IBC-User thomas-h alias Thomas ist mit seiner Freundin in einem zum Biken eher ungewöhnlichen Land unterwegs gewesen – aus Abenteuerlust verschlug es die beiden nach Kirgistan. Mitgebracht hat Thomas eine sehenswerte Fotostory und ein Video – hier ist sein Bericht.
Video
Bikexpedition Kyrgyzstan von thomas.h – Mehr Mountainbike-Videos
Zum kurzen Teaser geht es hier.
Foto-Bericht
Kirgistan? “-stan” klingt irgendwie unheimlich! War das nicht einmal Sowietunion? Haben die denn überhaupt Berge? Zugegeben, viel habe ich von dem Land vor einem Jahr noch nicht gewusst, als es meine Freundin für ein Bikeprojekt zum technischen Freeriden aka Bikebergsteigen/Vertriden vorschlug. Wir suchten nach hohen Bergen, die man sich noch ein Stückchen mehr erarbeiten muss als hier in den Alpen. Vor einer Biketour 3 Onlinekarten abgleichen, Wandererfotos zu suchen, dann mit dem Auto zum gebührpflichtigen Parkplatz fahren, das Bike den Wegweisern entlang zu einer Hütte zu tragen, sich zu stärken und von dort dann weiter zum Gipfel – das ist zwar praktisch und trotzdem immer auch etwas ungewiss, aber um wirklich etwas Neues zu probieren oder zumindest pro Tour nicht 10 mal gefragt zu werden, wo wir denn wieder herunterfahren wollen, müssen wir Mitteleuropa hinter uns lassen.
Die Nachforschungen zur Idee Kirgistan bestätigen den ersten Verdacht: Das Land ist zu 94% gebirgig, zu großen Teilen vom Tian Shan bedeckt, das am Pik Pobeda bis zu 7439 m erreicht. Voller weiterer hoher Berge und Gletscher wird Kirgistan auch das “Patagonien Zentralasiens” genannt. Nachdem wir ein paar Fotos gesehen haben und rausgefunden haben, dass Sicherheitsbedenken kein großes Thema sein würden, war klar: Unser Ziel war gefunden.
Die weitere Planung war hingegen eher oberflächlich. Da es kaum Kartenmaterial gibt, welches uns aber ohnehin wenig geholfen hätte, da es kaum Wege auf Bergen gibt, stellte sich schnell heraus: Wir müssen einen Geländewagen mieten, durch das Land fahren und vor Ort entscheiden, was an Bergen per Bike sinnvoll ist und uns vorwiegend einfach überraschen lassen. Es hätte auch gut sein können, dass ich das Rad den ganzen Trip im Koffer lassen hätte müssen. Meine Freundin kommt zu Fuß mit und kümmert sich um Foto und Video, ihr Risiko war deutlich geringer.
Anfang August war es dann soweit, wir stiegen etwas nervös und neugierig aus dem Flieger in Bishkek, der Hauptstadt. Das Stadtbild war deutlich besser als erwartet: kein westliches Niveau, aber sauber, teilweise sogar modern, und keine offensichtliche Armut. Die jungen Kirgisen und vor allem die bildhübschen Kirgisinnen laufen mit Smartphones herum und sprechen großteils gutes Englisch. Verlässt man Bishkek, wird das Land schnell ursprünglicher. Der Asphalt verschwindet und macht Platz für Millionen an Schlaglöchern auf Straßen, auf denen in den Alpen kein Hüttenwirt mehr zu seiner Hütte fahren würde und hier im Forum sicherlich zu einem Enduro geraten werden würde.
Hier fährt man hingegen Audi 80 und lässt den europäischen SUVs die deutschen Innenstädte für Einkaufsfahrten. Die Häuser werden einfacher, man sieht Pferd und Kuh im Vorgarten, wo überall lachende Kinder spielen, das Leben wirkt gemütlicher, doch auch hier nicht arm.
Wir durchqueren mit einem höhergelegtem Pickup, auf dessen Ladefläche wir auch schlafen, das Land und halten die Augen offen. Am Issyk Kol fahren wir an vielen roten Erosionsgebilden vorbei und schon bald entdecken wir fahrbare Grate. Wunderschön, fotogen und sehr spaßig zu fahren. Die nächsten Tage sind hingegen nicht so von Glück geprägt. Wir finden auf einem 3800 m hohen Pass zwar einen 4000er, auf den ich das Rad trage, doch der besteht leider nur aus Geröll, das ich nur in Falllinie mit blockiertem Hinterrad abrutschen kann. In den Alpen ist so eine Schotterreiße zwischendurch schon einmal lustig, aber hier is das im Vergleich zu den Strapazen im Aufstieg nicht ganz abendfüllend.
An den nächsten Tagen bleibt das Bike im Auto und wir lernen das Land und die Gastfreundschaft kennen. Eine Familie klopft uns am Abend aus unserem Ford Ranger, da sie finden, wir sollen lieber bei ihnen schlafen, da es hier draußen zu kalt ist. Aus Angst, wir müssten den landestypischen Beshmarak essen, also ganzer Hammel in kleine Stücke in eine gewürzlose Suppe gehackt, lehnen wir dankend ab.
Nach einer guten Woche geht es dann biketechnisch los: Ein Knallerberg reiht sich an den nächsten, alle von den Passstraßen recht gut erreichbar und alle knapp unter 4000 m. Da wir wie erwartet keine klassischen Wege vorfinden, ist der fahrtechnische Anspruch recht hoch. Wir finden zum Teil ausgetretene Spuren von Tieren, wird es aber felsig und blockig, muss ich immer wieder auf Trialtechniken zurückgreifen. Wir fahren weiter durch das Land, bleiben oft tagelang im 1. und 2. Gang, sind beeindruckt von der unglaublich schönen Landschaft, die sich alle paar hundert Höhenmeter komplett ändert.
Wir beobachten Yaks, Jurten und frei herumgaloppierende Pferdeherden. Ein weiterer Höhepunkt ist der Son Kul, ein Gebirgssee auf 3040 m Seehöhe inmitten einer Hochebene. An deren Ausläufern gibt es Bikeboulderfelsen zum Spielen und einen Berg auf knapp 3800 m, der der Höhepunkt unseres Roadtrip werden sollte: technisch, steil und variabel, fast ein “holy trail” – wenn es, abgesehen von ein paar Pfaden der Schafsherden, denn einen Trail gegeben hätte. Weitere Höhepunkte sind noch ein ebenfalls knapp unter Großglocknerniveau hoher Berg mit Aussicht auf die vergletscherten Nordwände der umliegenden 4500m Berge, der zwar sehr steil und geröllig, aber dennoch fahrbar ist und ein Basecamp, zu dem nach 3 Wochen erstmals ein Weg, der für Menschen angelegt ist, führt. Die Abfahrt erleichtert das jedoch nicht besonders, da jeder einzelne Fels von einer Staubschicht bedeckt ist, die den Grip erheblich reduziert.
Was bleibt mir nach dem ersten Eindruck zu diesem Land zu sagen? Die Berge und die Landschaft sind so beeindruckend, dass mir die Alpen nun wie ein Knabenchor erscheinen, die Menschen sind unglaublich freundlich und obwohl es nur wenige wirkliche Trails gibt, sind die Linien, die per Bike machbar sind, unvergleichlich.
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Der Beitrag Unendliche Weiten: Bike-Roadtrip durch Kirgistan ist auf MTB-News.de erschienen.