
Spätestens seit den grandiosen XCE-Rennen von Simon Gegenheimer ist das Team “ROSE Vaujany fueled by ultraSPORTS” international bekannt. In der deutschen Szene zählt Steffen Thum schon eine gefühlte Ewigkeit zu einer festen Instanz. Im Interview spricht Steffen über das Leben als Profi, wie er es schafft dem Leistungsdruck ein wenig zu entfliehen und was den Mountainbikesport für ihn ausmacht.
MTB-News.de: Hallo Steffen! Fast alle aus der deutschen XC-Szene werden dich kennen – stell dich doch trotzdem einmal vor.
Steffen Thum: Hallo MTB-News. Ich bin Steffen Thum, 30 Jahre alt und wohne in Aalen. Direkt nach dem Abi bin ich Mountainbike-Profi geworden, was mittlerweile auch schon 10 Jahre her ist. Kurz war ich bei der Bundeswehr, bin aber dann recht schnell in Profiteams gelandet. Es hat eigentlich gleich gut funktioniert bei mir und in den ersten U23-Worldcups konnte in öfter in die Top 10 fahren. Es lief alles nach Plan, doch so richtig war ich damit nicht zufrieden. Ich habe daran etwas ändern wollen und mir überlegt, wie es weiter gehen soll. Meine Frau hat mich als Managerin gleich mit unterstützt und zusammen mit Simon (Gegenheimer, Anm. d. Red.) haben wir dann ein eigenes Team gegründet. Seit 5 Jahren gibt es das Team und es ist ständig gewachsen.

Inwiefern warst du nicht so richtig zufrieden in den anderen Teams?
Wenn der Radsport zum Beruf wird, kommt Erwartungsdruck von ganz alleine und wenn man auf das Geld angewiesen ist, dann setzt einen das noch mehr unter Druck. In den meisten Teams bekommt man sehr viel vorgeschrieben, wie trainiert, gegessen und gelebt werden soll. Trotzdem ist man meist Einzelkämpfer. Jeder bereitet sich alleine vor, reist alleine zu den Rennen und so weiter. Wir versuchen das ein wenig anders zu gestalten: Bei uns wird immer zusammen gekocht und meistens sind wir unterwegs in einem Apartement untergebracht. Da schauen wir dann abends auch mal zusammen mit dem Beamer ein Film an. Wir versuchen eben nicht nur Rivalen, sondern auch Kumpels zu sein.

Wir bekommen immer mehr Bewerbungen von Fahrern die bei uns im Team sein wollen, doch die Mitglieder müssen halt auch passen. Egoisten haben bei uns keinen Platz – Leistung ist nicht alles! Es ist normal, dass es nicht bei jedem Rennen optimal läuft und jeder Sportler auch mal eine schlechte Phase hat. Bei uns im Team geben wir den Fahrern auch mal Zeit, um wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können. Statt dem Rennrad wird dann eben mal das Endurobike gepackt, um den Kopf frei zubekommen oder einfach einen Neuanfang mit neuer Motivation zu starten.
Du hast es gerade schon angesprochen. Neben XC und Marathon fahrt ihr auch öfters bei Endurorennen mit, auch während der Saison. Wie kommt es dazu?
Für uns ist Mountainbiken mehr als nur mit dem Hardtail Schotterpisten bolzen, aber auch nicht nur mit dem Freerider im Bikepark unterwegs sein. Die Mischung muss einfach passen und Mountainbiken hat viele Facetten. Vor der Saisonplanung treffen wir uns in Meetings, in denen jeder Fahrer seine Disziplin zugeordnet bekommt. Wir schauen dabei, was dem einzelnen liegt und Sinn macht und dann planen wir das gemeinsam durch. Dabei sollte dann aber doch jede Disziplin dabei sein, was die Planung zwar aufwändiger, aber extrem wichtig macht.
Simon beispielsweise fährt fast kein Sprint mehr, sondern XC und Enduro. Enduro für Erfolgserlebnisse und XC als Hauptdisziplin.
Wäre es nicht sinnvoller sich auf eine Disziplin zu beschränken, gerade in Bezug auf die Startposition im XC?
Vermutlich wären wir dann in dieser Disziplin erfolgreicher, doch mit Sicherheit hätten wir insgesamt weniger Spaß. Wenn wir uns voll und ganz auf den World Cup fokussieren würden, wäre das vermutlich auch nicht das beste für die Motivation. Ich habe die Marathon-Serie, bei der ich immer wieder Top-Resultate einfahre. Nachdem es den XCE Worldcup nicht mehr gibt, tut es Simon einfach gut, bei Endurorennen an den Start zu gehen und bei einem Rennen aufs Podium zu fahren.

Außerdem werden auch die XC und Marathonstrecken immer schwieriger. Da muss man ein kompletter Mountainbiker sein, von dem her, denke ich, profitieren wir womöglich sogar davon. So machen wir das auch oft während des Trainings: Im Sommer finden am Wochenende die Rennen statt, da ist es festgelegt was gefahren wird. Aber unter der Woche schnappen wir uns auch oft die Endurobikes und versuchen einfach eine spaßige Runde zu fahren. Besonders wenn wir in Kanada bei den Überseerennen sind. Da findet man richtige Trail-Paradiese – und die nicht zu fahren, geht fast nicht!
Wir haben bei den Rennen auch fast immer mehrere Räder mit dabei. Auch bei den XC-Rennen haben wir so die Möglichkeit, mal mit dem Enduro auf die Strecke zu gehen. Da kann man vielleicht auch mal Linien ausprobieren die man ansonsten nicht fahren würde, um dadurch sicherer zu werden. Jeder Fahrer hat bei uns generell die Wahl, welches Rad er fahren will – und das bei jedem Rennen.

Wie sieht das euer Hauptsponsor Rose?
Rose will Radfahrer ansprechen. Egal, ob der lieber Enduro, Freeride oder Hardtail fährt. Der Kunde soll mit dem Rad Spaß haben und das in jeder Kategorie. Rose bietet für jede Disziplin das passende Rad an. Der Anspruch an ein einziges Rad ist deutlich gestiegen, weil einfach mehr mit den Rändern möglich wird. So sehen wir das auch und transportieren diesen Gedanken nach außen.
Egal ob man um Position 10, Position 40 oder Position 400 kämpft, man sollte sich auf seinem Sportgerät wohl fühlen, dann hat man auch Freude beim Kämpfen. Und wer mit Freude kämpft, ist übrigens auch Schneller als derjenige, der nur kämpft.

Wir arbeiten auch viel in der Entwicklung mit. Wenn die Jungs von Rose mit neuen Ideen zu uns kommen, geben wir unser Feedback. Schließlich sind wir jeden Tag auf dem Rad unterwegs und wissen genau, was benötigt wird.
Eine Besonderheit, die wir dieses Jahr zum ersten Mal gemacht haben, sind mehrere Teams bei der Bike Transalp Challenge. Ich und Remi fuhren auf die Gesamtwertung und vor allem die Mountainclimbing-Wertung – hier sind wir 1. und 2. geworden. Simon und David fuhren gezielt für die Endurowertung, dabei wurde Simon Zweiter.
Was haben Endurorennen für einen Stellenwert bei euch?
Für uns als Profis ist es natürlich trotz des ganzen Spaßes wichtig, dass am Ende irgendwas dabei rauskommt. Wir planen das gesamte Jahr recht genau und bereiten uns auf die unterschiedlichen Rennen vor. Enduro hat sich da noch nicht ganz gefunden und bis dahin werden wir uns noch nicht komplett darauf spezialisieren.
Im XC und Marathon weißt du vor dem Rennen genau, was auf dich zukommt. Bei den Endurorennen ist das schon noch sehr unterschiedlich, da kann von einem 1-Tages Event bis zu einem dreitägigen Wochenende alles dabei sein. Wie viel man selbst bergauf treten muss, oder wie einfach sich die Transfers fahren lassen, ist auch extrem abhängig vom Veranstalter. Gerade die World Series ist bisher noch zu unterschiedlich. Bisher fahren wir eher bei tollen Endurorennen wie der Trans Provence mit.
Wie speziell bereitet ihr euch denn auf die Rennen vor?
Je nachdem, was das Rennen von einem fordert. Vor dem Rennen in Albstadt habe ich extrem viel Kraft trainiert, um die steilen Anstiege besser durchdrücken zu können. Für die WM beim Sellaronda hab ich dann innerhalb von 3 Wochen 6 kg verloren, weil bei diesem Kurs weniger Gewicht von extremen Vorteil ist.
Das Ganze klingt schon ein wenig extrem, oder nicht?
Das stimmt sicherlich, aber wir arbeiten da auch eng mit den Experten von UltraSports zusammen. Profisport ist für den Körper vermutlich schlechter als Breitensport. Uns ist es wichtig, dass man das längere Zeit durchhält und auch nach der aktiven Karriere noch fit ist.
Bei uns bekommt jeder Fahrer Ernährungsberatung – ob er das dann macht oder nicht, ist ihm selbst überlassen.
Wir probieren da auch immer mal wieder etwas Neues aus. Zum Beispiel auch einmal 30 Stunden nichts essen und nur Wasser trinken, um den Körper wieder komplett zu resetten. Sowas sollte man aber nicht einfach so machen: das mach ich immer zusammen mit Dr. Feil von UltraSports.

Inwiefern probiert ihr ansonsten auch noch andere Sachen aus?
Direkt nach dem SellaRonda Hero sind wir am Tag drauf die Rennrad Transalp gefahren, um Erfahrung zu sammeln wie sich der Körper verhält. Wie lange brauche ich zur Erholung, was wirkt sich gut auf die Erholung aus? Um generell die Abläufe bei einem Etappenrennen zu trainieren.
Auch nach vielen Jahren testen wir immer wieder Neues. Die ständige Umstellung muss sein, sonst bleiben wir stehen. Die Strecken ändern sich, also muss man sich auch ändern!
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in der neuen Saison!
Der Beitrag XC-Profi Steffen Thum im Interview: Die Strecken ändern sich, also muss man sich auch ändern! ist auf MTB-News.de erschienen.