Nicht nur das hochalpine Mountainbiken birgt des Öfteren Risiken und ist mitunter recht aufwändig – wenn man seine Tour zudem noch schön filmen will, bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, um das Ergebnis spektakulär und rund aussehen zu lassen. Andreas Altendorfer und Johannes Pistrol (hier bei uns im Bikebergsteiger-Interview) sind seit über vier Jahren filmend in den Bergen unterwegs und stellten sich vor Kurzem die Frage, wie wohl ein Film des gleichen Trails mit vier Jahren Abstand aussehen würde. Was hat sich an der Technik und am Equipment verändert? Wie ändert sich die filmerische Sicht auf den Trail? Verbesserte sich die Fahrtechnik im Laufe der Zeit?
Andi und Johannes stellten sich dem Experiment und zogen auf die Wiener Hausberge, um den gleichen Trail wie vor vier Jahren zu fahren und abzufilmen – der Text kommt von Filmer Andi, der nicht nur den Erfahrungsbericht, sondern auch erkenntnisreiche Tipps zum Filmen in den Bergen enthält.
Video: Die Gretlfrage – 2013
Die Gretlfrage von amotion – mehr Mountainbike-Videos
Erfahrungsbericht – Die Gretlfrage
Seit 2009 sind Johannes und ich ein eingespieltes Team, Johannes trialt durch die schwierigsten Passagen und ich humple mit Stativ und Kamera hinterher. Nebenbei sind wir ständig auf der Suche nach neuen Wegen und befahrbaren Bergen und hadern mit dem Schicksal, am äußersten Ausläufer der Alpen daheim zu sein. Nur an ganz wenigen Föhntagen ist der Schneeberg – der östlichste 2000er der Alpen – von Wien aus zu sehen. Die Fahrzeiten zu neuen Zielen werden leider immer länger.
Meine Bikekarriere hat mit einem Sturz geendet bevor sie begonnen hat und das Filmen hat sich zum Faden entwickelt, der mich nach wie vor mit der Bikebergszene verbindet. Ein zeitlich fordernder Job lässt mir nicht viel Zeit fürs Schneiden – was zählt ist ein Tag mit Freunden in den Bergen, der Film ist ein kleines Erinnerungsstück, eine kleine Dokumentation eines Bergtages. Mit der Zeit stellt sich allerdings trotzdem die Frage, ob sich die ganzen Anstrengungen auch lohnen? Hätte ich das Geld das inzwischen in Videoausrüstung, Kamera und Objektiven steckt nicht doch besser in Bier investieren sollen, da gibt’s bekanntlich immer garantierte 4%.
Bei anderen Filmern gefallen mir die frühen Werke manchmal fast besser wie die aktuellen, nichts kommt an das ‘Pure Vanilla’ von Harald Philipp und Sebastian Doerk heran, das in uns Filmern den Wunsch nach einem guten Weitwinkel geweckt hat und allen Lust auf Gardaseetrails gemacht hat. Um unsere Gretlfrage zu beantworten haben wir ein Ziel in den Wiener Hausbergen gewählt, das wir 2009 schon einmal angesteuert haben.
Was hat sich alles geändert: Diesmal war statt einer Videocam eine DSLR mit dabei. Die Vorteile des Weitwinkelobjektivs und der höheren Robustheit lassen mich hier und da zu dieser Wahl greifen. Die Einschränkungen die der nicht vorhandene Sucher und das Bedienkonzept mit sich bringen, lassen mich beim alpinen Filmen allerdings immer wieder einmal verzweifeln, egal – was nicht gelingt, wird als gewollte künstlerische Freiheit verkauft oder so gut wie möglich im Schnitt kompensiert.
Beim Filmen gibt’s wie immer die Kompromisse. Selber fahren und filmen bringt leider das Problem, dass immer das eigene Bike im Weg liegt. Außerdem kommen mit Kamera und Stativ doch einige Kilo zusammen, die das Bikevergnügen auf Null reduzieren. Ein Rad verwende ich gerne für einfache Anfahrten, dann bleibt es liegen und ich gehe mit Rucksack und Stativ weiter. Meine Wohnung ist voll mit Videokram, der im Tal tolle Effekte liefert. Wenn ich allerdings alles selber tragen muss, dann reduziere ich ganz gerne wieder auf das Wesentliche.
Ich werde immer gefragt, wieso es in unseren Filmen keine Hoppalas im Abspann gibt. Doch, diese gibt es aber da wir uns oft im absturzgefährdeten Gelände bewegen bin ich recht froh, dass Johannes meine Nerven fast nie auf die Probe stellt. An einen Bauchfleck im Jahr 2009 können wir uns beide noch ganz gut erinnern – aber der Stunt funktioniert heuer nicht mehr. Ich bin darüber gar nicht wirklich böse! Bei Johannes ist das Rad viel leichter geworden.
War es 2009 noch ein Freerider mit 180 mm Federweg, bewältigt er heuer die Stellen in einem leicht aufgebauten Enduro. Aktuell experimentiert er mit 650b und ich glaube manchmal den Wunsch nach besseren Reifen aus seinen offenen Augen zu lesen, aber mit etwas Nervenstärke lässt sich bekanntlich so manches Handicap kompensieren und eine früher unfahrbare Stelle gelingt trotzdem!
Frau ohne Nerven von amotion – mehr Mountainbike-Videos
Daheim habe ich mir dann in aller Ruhe das alte und das neue Video angesehen. Die schwierigen Stellen schauen bei Johannes noch spielerischer aus, ob das an den größeren Rädern oder an noch mehr Fahrpraxis liegt? Am gleichen Tag waren Freunde am Steig unterwegs, bei der Einstellung von Christoph kommt der Wahnsinn der Schlüsselpassage vielleicht noch mehr zu Geltung! Und filmerisch? Ich kann mir mein altes Video nicht mehr ansehen, der Schatten des Kameramanns ist ständig im Bild, ein Achsensprung nach dem anderen und wenig Kontinuität – aber dafür einen seltenen Bauchfleck von Johannes im Abspann! Und beim neuen erkenne ich auch schon wieder alle Fehler ….
Bauchfleck von amotion – mehr Mountainbike-Videos
Aber wie anfangs gesagt, dass wichtigste ist der gelungene Tag mit Freunden in den Bergen, ein gemütliches Bier nach der Tour – und in 20 Jahren werde ich statt Tauben zu füttern mich über die Videos und Erinnerungen freuen. Was habe ich in 5 Jahren alpinem Filmen gelernt? Zum Schluss ein paar Beobachtungen und Erfahrungen, auch wenn ich ungern die Geschichte vom leeren Akku am Großvenediger erzähle.
Video: Steep Throat – 2009
Steep Throat von amotion – mehr Mountainbike-Videos
Tipps: Filmen in den Bergen
- Nimm Ersatzakkus mit (siehe Großvenediger)
- Schwierige Stellen werden immer einfach wirken…
- Beim Filmen mit DSLRs: verwende Graufilter (variabel) um die Shutterzeit bei 1/50 oder 1/100 zu halten, Video lebt von Motion Blur und die 1/1000, die bei Fotos funktionieren, wirken hakelig.
- Verwende ein Stativ, wenns leicht sein soll, ein Einbein oder einen Bohnensack. Im Tal habe ich ein ruhige Hand, aber am Berg schaut‘s oft anders aus.
- Schärfe: in der Helligkeit ist die Schärfe am Display schwer zu beurteilen. Eine Videocam hat einen Sucher, bei DSLR oder EVIL hilft nur eine Sucherlupe oder abblenden und Schärfe auf knapp unter unendlich (Bei Canon gibt es Magic Lantern mit Peaking – bei Nikon leider nichts).
- Arbeite bei DSLRs mit abgeschaltetem Autofokus, das Fokuspumpen ist schwer künstlerisch zu rechtfertigen, entscheide dich wo es scharf sein soll.
- Erzähle eine Story, außer der Fahrer ist wirklich gut!
- Probiere Originalton aufzunehmen, auch wenn es wegen Wind und Wetter viel Ausschuss geben wird.
- Die aktuellen Hits aus dem Radio zur Untermalung bringen Probleme mit dem Urheberrecht und Verwertungsgesellschaften. Die Abhilfe bringt die Verwendung von creativ common Musik. Achte aber auf eine Lizenz, die eine Bearbeitung erlaubt. Informationen gibt es unter: http://creativecommons.org/licenses/ Meine Wahl: http://ccmixter.org/find-music
- Wechsle die Einstellungen, nur Abfahrten über Wiesen werden schnell langweilig, zeige Details, Panoramas, Zeitlupen, verwende Zwischenbilder, übertreibe nicht mit Zeitlupen und Helmkameraaufnahmen.
- Wechsle nicht unkontrolliert die Bewegungsrichtung der Fahrer, ein Fehler den viele „Fotografen-Filmer“ machen. Fahrer die abwechselnd von links und rechts durchs Bild fahren, lassen keinen Bewegungsfluss aufkommen.
- Achte zumindest ein bisschen auf Lichtstimmungen und Story
- Mich interessieren die Fahrer? Wer ist er, wie schaut er aus? Nur Full Face Helme sind austauschbar und langweilen mich!
- Ich mag keine Studiointerviews in Filmen, das können die englischen Filmemacher mit Gesprächen vor einem offenen Kamin besser!
- Vermeide Ödland, das die Österreichischen Bundesforste verwalten (Danke Sebastian für das Austesten und den Tipp) http://www.wildmedia.at/fileadmin/user_upload/WILD.MEDIA/Dokumente/OEBf_Tarifliste_Film_Foto_2013.pdf
- Keine Schwenks mit einem Fisheye (sorry Colin)
- Chris Akrigg bleibt der König der Filmemacher.
Das waren ein paar kurze Gedanken, die Liste ist weder vollständig noch richtig und sehr persönlich geprägt, für Anregungen und Ergänzungen bin ich dankbar.
PS: Für die nicht Goetheleser unter uns hilft Wikipedia: Die Gretchenfrage bezeichnet eine direkte, an den Kern eines Problems gehende Frage, die die wahren Absichten des Gefragten entlarven soll. Sie ist dem Gefragten meistens unangenehm, da sie ein Bekenntnis verlangt, um das dieser sich bisher herumgedrückt hat.
Der Beitrag Die Gretlfrage – oder: Vom Filmen in den Bergen [Video & Erfahrungsbericht] ist auf MTB-News.de erschienen.