Die großen Rennen der Saison sind bereits seit über einem Monat Geschichte und auch die Weltmeisterschaft in Hafjell eine Weile vorbei. Trotz allem kein Grund, nicht einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und zu erfahren, wie sich die Fahrer auf ein solches Großevent vorbereiten und welche Hürden ihnen im Weg stehen. Anders als bei der Enduro DM, bei der Sofia Wiedenroth gute Zweite wurde, hatte sie in Hafjell nicht das Glück auf ihrer Seite. Was genau geschah, erfahrt ihr in ihrem Blog zur WM 2014.
Sonntag, 2:30 Uhr. Der Wecker klingelt, aufstehen, duschen, Espressomaschine an, Kofferraumdeckel zu, los geht`s! Die Reise zur WM nach Norwegen ist gestartet. Für 120 CHF muss ich meinen AMG am Züricher Flughafen stehen lassen, denn von dort geht´s mit dem Flugzeug weiter nach Oslo. Danach fahren wir mit dem Zug nach Lillehammer, wo uns unser Bundestrainer abholt und nach Hafjell bringt. Da wir nun erst 12 Uhr mittags haben und unsere Apartements erst ab 17 Uhr bekommen, haben wir noch Zeit für eine kleine Mountainbike-Tour. Zusammen mit Markus Bauer und Simon Stiebjahn fahre ich hoch bis nach Hafjelltoppen, wo der Downhill-Kurs startet. Eigentlich wollten wir nur in einen von den vielen Singletrails einstechen, aber nachdem der abgesteckte Kurs schon vor unserer Nase liegt, klettern wir kurzerhand unter das Absperrband und fahren mit unseren Cross-Country Bikes soweit wie möglich den Kurs hinunter. Einfach der Hammer!

Am Montag ist der Spaß allerdings vorbei. Ich bin erkältet. Klasse, gerade jetzt in der eigentlich wichtigsten Woche der Saison. Mit Rene Schmidt, unserem Techniktrainer, gehe ich aber trotzdem auf die Runde und begutachte den 3,5 km langen Rennkurs. Im direkten Duell probieren wir verschiedene Linien aus und spekulieren, welche die schnellste ist. Die Strecke hat sich im Vergleich zum Vorjahr, in dem das Weltcup-Finale statt fand, kaum verändert. Lediglich eine neue Waldabfahrt mit vielen Wurzeln und kleinen Steinfeldern ist dazugekommen.
Dienstag: Erster Renntag oder zweiter Betttag? Schwierige Frage. Heute findet der Eliminator Sprint statt, den ich eigentlich mit eingeplant hatte. Normalerweise lasse ich diese Art von Wettkampf bei den Weltcups aus, da die Erholungszeit auf das Cross-Country Race meist zu knapp ist. Mein Trainer, Rolf Frey, und ich fanden es im Hinblick auf die Rennvorbereitung bis Freitag aber ganz passend. Doch leider fühlt sich mein Körper heute gar nicht Wettkampf-ready.
Ich stehe extra ganz in der Früh auf, um direkt auf den XCO Kurs zu gehen, um wirklich zu prüfen, ob es nicht doch irgendwie geht. Nach ca. der halben Runde breche ich das Training jedoch ab. Mein Pulsschlag ist 15 Schläge höher als gewöhnlich. Der Hals schmerzt, ich bekomme kaum Luft. Die Entscheidung ist gefallen: Zweiter Betttag mit der Hoffnung, bis Freitag wieder fit zu werden.
Mittwoch: Der dritte Betttag startet in einem anderem Haus. Leider geht es mir heute immer noch nicht besser und ich muss aus Sicherheitsgründen meinen Roomie Helen Grobert verlassen. Am Nachmittag bewege ich mich aber trotzdem an die Strecke, um das Spektakel des Team-Relays anzusehen. Der Staffel-Wettbewerb ist, finde ich, einer der Spannendsten, denn jedes Land hat eine andere Taktik, wie es seine Fahrer aufstellt. Es kann zum Beispiel sein, dass zunächst ein Junior gegen einen Elite-Athleten fährt und dementsprechend weit hinten ist. Wird danach aber gewechselt, sieht es wieder komplett anders aus. Die ständigen Positionswechsel machen das Rennen bis zum Schluss aufregend.
Donnerstag, Vorbelastungstag: Wenn ich heute nicht in der Lage bin auf dem Kurs zu trainieren, sehe ich Schwarz für den morgigen Renntag. Für gewöhnlich fahre ich am Vortag eine Runde im Wettkampftempo, um meine Muskeln zu aktivieren. Dass das heute nicht möglich sein wird, ist mir klar. Aber dennoch ist es für mich extrem wichtig, auf der Strecke zu trainieren. Ich muss sie kennen lernen. Ich muss wissen, wie sich mein Rad in den Kurven verhält, welche Sprünge möglich sind, welche Linien die schnellsten sind. Ich muss wissen, wann ich meine Reverb Sattelstütze einsetze…
All diese Informationen brauche ich, um morgen schnell fahren zu können. Um das effektivste Training mit minimalem Kraftaufwand zu generieren, fahre ich direkt am Morgen um 9 Uhr los, komme zum Mittagessen wieder zurück und gehe dann nach den Junioren-Wettkämpfen am Abend noch einmal auf die Runde. Mein Körper ist immer noch ziemlich schwach, aber wenigstens klappen nun die technischen Passagen einwandfrei und ich kann den Kurs im Kopf abfahren. Das ist auf jeden Fall einiges wert und gibt mir Zuversicht.
Freitag, Raceday: Um meinen Stoffwechsel anzuregen, gehe ich direkt vor dem Frühstück noch kurz Radfahren. Die frische Luft tut mir gut. Die Nase läuft trotzdem. Ich merke, dass heute nicht mein Tag sein wird. Dennoch möchte ich so perfekt wie möglich meine Rennvorbereitung durchführen. Um 11:45 Uhr steige ich dann auf die Rolle. Mit einem intensiveren Aufwärmprogramm versuche ich meine nicht gefahrene Vorbelastung wett zu machen.
13:00 Uhr: Der Startschuss knallt. 50 selektierte Fahrerinnen aus 26 Nationen sprinten los. Mit Startnummer 47 könnt ihr euch ja vorstellen, in welcher Reihe ich stand. Bei einer Weltmeisterschaft herrschen andere Regeln unter den Fahrern. Jeder will sein Bestes zeigen und so schnell wie möglich fahren. Dementsprechend aggressiv verläuft der Start und es kommt direkt zu einem unglaublichen Massencrash, in dem ich leider auch verwickelt war. Völlig abgeschlagen von der Spitze mache ich mich auf die Verfolgungsjagd. In den technischen Bergaufpassagen habe ich absolut keine Chance, an den anderen Fahrerinnen vorbeizukommen.
Um so mehr versuche ich nun, in den Abfahrten durch waghalsige Manöver Plätze gut zu machen. Das gelingt mir auch überraschend gut. Doch ab und zu sind meine Linien zu out-of-control, sodass ich mir einen Plattfuß hole. Schnell renne ich zur Technikzone, in der Martin Welz, unser Chefmechaniker, mein Vorderrad in sagenhaften 15 Sekunden wechselt! Ich springe wieder aufs Rad, um meine Aufholjagd fortzusetzen. Die nächste Runde verläuft dann einiges ruhiger ab und ich kämpfe mich ein paar Plätze nach vorne. Das schnelle Tempo wird mir aber zum Verhängnis. Meine Lunge brennt so sehr und lässt mir kaum Luft zum Atmen. Schließlich muss ich in der dritten Runde aufgeben. Weinend verlasse ich die Strecke. Das war das erste Rennen überhaupt, dass ich nicht zu Ende gefahren bin. Und das bei einer Weltmeisterschaft! :(

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Der Beitrag [Blog] Sofia Wiedenroth bei der WM in Hafjell ist auf MTB-News.de erschienen.